Offener Kommentar
Hallo Kai, Ich habe mich gefragt, was ich zu deinem “Text” zum Thema Opensolaris schreiben soll, der dann doch einfach und umgreifend daran leidet, das Du dir bei einigen Dingen noch nicht ganz der Tragweite bewusst bist, die ein einzelnes Faktum besitzt, in vielen Dingen Themen verkuerzt und Fakten weglaesst (ich mag das Wort “absichtlich” nicht in diesem Satz verwenden auch wenn ich den Gedanken hatte). An vielen Stellen ist die Argumentation einfach nur krude. Eigentlich gebe ich damit deinem “Text” mehr Aufmerksamkeit als er verdient, aber ich denke daran lassen sich viele Dinge festmachen, die mich in der Diskussion mit Linux und der Klarstellung “Wozu Opensolaris?” nerven. Vielleicht fang ich einfach mal an, einige Dinge klarzustellen:
- Ich kann das Argument "angejahrt" mittlerweile nicht mehr hoeren. ZFS? Gibt es nicht unter Linux. DTrace? Gibt es nicht. Und nein, Systemtap ist nicht vergleichtbar, egal was auch immer die Entwickler des Tools sagen. Und derer Punkte gibt es viele. Ich weiss, mit dem auf Solaris 8 und 9 gerichteten Blick mag der Blick des Angejahrten stimmen. Doch es wäre für die Linux-Community beziehungsweise insbesondere Entwicklern gefährlich, Solaris weiter in dieser Ecke zu verorten.
- Jetzt kommt sicherlich die Frage, warum brauch man als Homeuser ZFS. Das fängt bei solchen Kleinigkeiten an, wie beispielsweise Snapshots vorm Updaten eines Systems. Snapshot machen, packete einspielen, überprüfen. Funktioniert etwas nicht, ist es nur ein Boot in die alte Version zurueck. Live Upgrade on steroids, denn 2^64 Snapshots reichen für eine Menge Updates. Und wenn ich mal kurz daruf hinweise darf, zukünftig (eigentlich schon heute, wenn man sich den Treiber von der ADC-Seite holt) kann man mit genau diesem Filesystem problemlos Notebookfestplatten zwischen seinem Mac und einem Solaris-Notebook austauschen. Oder zwischen einer Solaris und MacOS X-Installation. Try this at home mit deinem präferierten Linux, ohne auf FAT oder ISO als kleinstem gemeinsamen Nenner zurückgreifen zu müssen
- Übrigens: Die Revolution "Linux on the Desktop" findet nicht statt. Mangels eines wirklichen Enduser-Fokus (man möge bitte die Enthusiasten nicht mit dem Enduser verwechseln". Wir haben es heute mit einer massiv wiedererstarkten MacOS X Fraktion zu tun, die dank eine klaren Vision das geschafft hat, was die unixoide (und da zaehle ich unser JDS ausdrücklich zu) Fraktion bisher nur immer farbenfroh angekuendigt hat: Ein Unix auf den Desktop zu bringen, das von jedem bedient werden kann und das einfach stabil ist. Ich weiss, viele Linux-Apologeten rümpfen ihre Nase über das Betriebsystem aus Cupertino, aber ein wenig fegen vor der eigenen Haustür würde helfen. MacOS X ist auf dem Desktop dort, wo Desktop Linux sein wollte, sein möchte, aber nie sein wird: Die valide Alternative zu Windows
- Vision ... auch ein Thema. Wo will Linux in fünf Jahren sein. Noch mehr Packages, noch mehr Scheduler noch mehr Treiber ist keine Vision, das ist nur Entwicklungsleistung. Ich habe den Eindruck, das Linux sich in wesentlichen Teilen im Kreise dreht: Die Nachrichten gleichen sich häufiger ... Streit um die Integration von Security-Modulen, jetzt ein neuer Scheduler, jetzt eine neue VM-Verwaltung. Das sind Nachrichten die es so in schoener Regelmaessigkeit immer wieder gibt. Ich möchte mir garnicht ausmalen, wo Unix im Allgemeinen und Linux im besonderen sein könnte, wenn Linux in einen gelenkteren mit einem versehenen Modus operandi der Weiterentwicklung gehen würde
- Technologisch ist Solaris eher vor Linux. Es gibt einen Punkt, an dem Linux die Nase vorn hat, und das ist der Mechanismus der Verteilung. Das viele Linux nennen, ist ein Linux-Kernel mi GNU-Userland. Ich mag Herrn Stallmans Position wegen der "not so hidden agenda" der GPL nicht, aber mit seinem Punkt, das das was der Mainstream Linux nennt eigentlich GNU/Linux ist, hat er recht. Und es gibt keinen Grund, warum es in diesem Sinne nicht auch ein GNU/Solaris geben sollte. Und nebenbei angemerkt. In dem Moment, in dem du dein Linux gebootet hast, dich in Gnome einloggst und in Openoffice einen Text schreibst, bist du durch mehr Codezeilen von Sun gegangen als von irgendjemand anderen, egal was selbsternannte Linux-Speerspitzen wie IBM oder HP selbst ueber sich sagen
- Warum Du Zones brauchst ? Weil Zones ein extrem leichtgewichtiges Konzept ist, bei dem am Ende nur ein Kernel laeuft, dir aber trotzdem den Benutzungskontext und die Sicherheitsabgrenzung eines eigenen Solaris-Systems annähernd entspricht. Usermode-Linux und Zones sind nur für den sehr uninformiertern Beobachter vergleichbar. Gleiches gilt für XEN
- Solaris/x86 und Solaris/SPARC kommen aus der selben Codebase. Sie sind das selbe Betriebsystem. Es würde mich sehr wundern, wenn die ungefähren 2-3 Prozent ein ganz anderes Betriebsystem aus den jeweiligen Codebases gibt.
- Klar, in Solaris 10 ist nicht mehr jede Hardware supported, die irgendwann mal supported war, aber man kann sich denke ich berechtigt darüber wundern, wenn Treiber für Hardware entfernt werden, die schon seit langer Zeit nicht mehr erhältlich ist und vielleicht auch keinen Sinn mehr in heutiger Zeit macht (beispielsweise die 10 MBit/s Quad-Karte für SBUS). Und auch wenn die schiere Anzahl der Treiber bei Linux sicherlich gut aussieht, so teile ich doch die Meinung dieses Artikels, das die meisten Treiber bei Linux good-enough sind, aber nicht wirklich gut. Dazu muss ich allerdings auch sagen, das ich die Treiberakkumulationsfreudigkeit im Linux-Bereich nicht mag. Manchmal sind Geräte einfach so alt, das man die Treiber auslagern sollte. Vielleicht als Binary in einem Repository für einfache Installation. Aber halt ...das geht ja nicht. GPL und instabilten Treiberinterfaces sei dank
- Ja, der Gral der Binaerkompatibilitaet. Ich habe ja schon erlaeutert, das x86 und SPARC identische Systeme sind. Für beide gilt die Binerkompatibilität. Nun mag es für den Homeuser mit der einzelnen Maschine nicht wirklich einsichtig sein, wozu man soetwas braucht. Ich habe mal mit einem Kunden gesprochen, der angemerkt hat, das wir einen wesentlichen Vorteil von Solaris nicht richtig vermarkten. Naemlich, das Migrationen auf neue Hardware bei Sun meist sehr langweilige Angelegenheiten sind, selbst wenn ein neues Solaris darauf laufen sollte.
- Binaerkompatibilität hat noch einen Vorteil. Auch dieser haengt mit Treibern zusammen. Viele Treiber aus frueheren Versionen können einfach übernommen werden. Selbes Binary. Funktioniert so gut wie immer, solange keine Versionsnummernabfrage im Treier ist. Und auch dann funktioniert es eigentlich immer wegen der Versionsnummernabfrage und nur selten wegen technischer Probleme
- Hardgecodete Versionsnummernabfragen oder Paketabhängigeiten sind uebrigens die Hauptsächlichen Gründe warum eine Applikation nicht unter Solaris 10 laeuft. Hauptsächlich dafür wurde der Solaris 8 Migration Asssistant geschaffen.
- Das mit der fehlenden FPU bei den UltraSPARC T1 CPU ist seit T2 erledigt und auch ohne FPU war die T1 in vielen Faellen den Aufgaben gewachsen. Irgendwie war mir aber klar, als wir angefangen haben, die FPU-Schwäche aggressiv nach aussen zu nennen, das wir uns mit dem Argument rumschlagen muessen, wenn es schon laengst nicht mehr fuer aktuelle Iterationen wahr ist. Insbesondere von jenen, die das Thema nur oberflächlich beachten.
- Die Preview ist absichtlich so gestaltet. Weil es eben eine Preview ist. Man will einen ersten Blick zeigen, Release ist im März. Da sieht die ganze lizenztechnisch ganz anders aus. Muss es auch, weil OpenSolaris die Opensolaris-Referenz-Binaerdistribution ist. Mit dieser Kritik solltest du warten, bis die entgültige Version herauskommt
- Gerade in Web2.0 Umgebungen mit ihrer Vielzahl von leichtgewichtigen Datenbankabfragen eigenen sich Prozessoren der T1/T2-klasse sehr gut. Es ist eher der Fall, das diese Systeme mit den grossen Datenbanken haben (wobei gross hier wirklich gross meint, und nicht das was man mit 4 bzw 8 x86-Sockeln reissen kann. Aber selbst das wird mit den Victoria-Falls-Systemen mit 2 oder 4 VF sockeln erledigt). Das ist wiederum der Grund warum es Systeme mit dem SPARC64-Prozessor gibt. Binaerkompatibel übrigens. Und noch eins, an vielen Stellen im Internet und Web 2.0 , an denen man im Backend ein Linux-System verorten würde, stecken mittlerweile Systeme des Typs T2000. Die Nachfolger werden uns momentan aus den Händen gerissen.
- Du hast recht. Singlethread-Leistung ist teilweise noch wichtig. Es gibt noch eine Reihe von Applikationen. Aber Du solltest überlegen warum AMD, Intel und IBM ihr Heil ebenso in immer mehr Cores suchen. Kris hat die Begründung dafür recht anschaulich in seinem Artikel "10 Zentimeter erlaeutert. Ich habe in meinen Vorträgen über Prozessorentwicklung eine Folie die recht schoen darlegt das der Zuwachs in relativer Performance in den letzten Jahren abgenommen hat. Ausweg stellt hier nur eine Abkehr vom singlethread zentrierten Modell hin zum multithread zentrierten Modell. Das ist uebrigens einer der Gründe warum wir in Rock einige ganz nette Dinge implementieren werden, ueber die ich heute noch nicht reden darf, die viele Probleme heutiger Multithread-Programmierung erleichtert beziehungsweise unkritisch macht
- Und um nochmals den Singlethread-Performance vorwurf zu hoerenDas ist der Grund warum es bei Sun Systeme sowohl mit x86 als auch mit SPARC gibt. Und beide bedienen sich bis auf den Bootvorgang gleich. Aber selbst dieser Unterschied wird sich noch einebnen.
- Dieses ganze Gerede um die Solaris-Community vergisst, das es eine Solarisnutzerschaft schon hab, als an Linux noch garnicht zu denken war. Was im übrigen die übernahme von Entwicklungsleistungen durch die Community angeht: Projekt wie die Integration von Linux 2.6 laufen bereits aktuell
- Ich sehe im Grunde nur ein Hemmnis für Opensolaris. Schaft Sun es, mit der neuen OpenSolaris Distribtion, wenn sie 03/08 auf den Markt kommt, sich in gewohnte Denkweisen der Linux-Community einzufügen, ohne die Vorteile von Solaris zu verlieren. Schaffen wir es, eine Distribition zu schaffen, die sich gut in linuxoide Betriebsprozesse einzufügen. Meine Meinung ist, bei allem was ich über dieses Projekt weiss, "Ja, das werden wir schaffen". Und am Ende muss man wissen, das Communities eine sehr fluide Angelegeheit ist. Wenn an nicht um seine Community kämpft, dann kann die ganz schnell weg sein. Und ich habe momentan nicht wirklich den Eindruck das Linux kämpft, das innovativste und beste Betriebsystem am Markt zu sein.</ul>
Ich hoere jetzt einfach mal auf ... vielleicht solltest du deinen Text einfach noch mal ueberdenken. Am Ende ist dein Artikel, verehrter Kai nur eine uninformierte und unreflektierte Tirade. Als letzer Gedanke bleibt mir nur noch: Je öfter die Linux-Apologeten schreiben, wir sollten doch endlich Linux aufgeben, und je schlechter diese Argumentation untermauert wird, desto mehr glaube ich, das Solaris im Besonderen und Sun im Allgemeinen auf dem richtigen Weg ist.
Gruesse
Joerg PS: Schönblogging ... ich weiss nicht ... ich denke nicht das es Schoenblogging ist ... vielleicht weil ich die Entwicklungsmarschrichtung kenne.